Bildung

Das österreichische Bildungssystem war zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch strikte Geschlechtertrennung gekennzeichnet. 1892 wurde das erste Mädchengymnasium in Wien gegründet. 1919 wurden Mädchen in öffentliche Knabenmittelschulen aufgenommen und hatten damit erstmals die Möglichkeit zu maturieren, ohne hohes Schulgeld zu zahlen. Im selben Jahr erhielten Frauen freien Zugang zu den Universitäten. An Frauenoberschulen bzw. Lyzeen wurden Mädchen weiterhin in frauenspezifischen Fächern wie Hauswirtschaftskunde unterrichtet.

Im Austrofaschismus und Nationalsozialismus war die Mutterschaft deklariertes Ziel der Mädchenbildung. In den staatlichen Höheren Schulen wurde die Geschlechtertrennung sowie unterschiedliche Zweige und Lehrpläne für Mädchen und Buben wieder eingeführt. Nach Kriegsende hatten Mädchen zwar prinzipiell Zutritt zu allen Mittelschulformen und Hochschulen, die Frauenoberschulen blieben aber erhalten. Die in den 1960er Jahren in Gang gesetzte Bildungsexpansion (Jugendliche verblieben länger im Schulsystem) führte insgesamt zu einem höheren Ausbildungsniveau von Frauen. In den 1970er und 1980er Jahren war die Abschaffung von Bildungsbarrieren für Mädchen und damit Zugang zu existenzsichernder Erwerbsarbeit ein zentrales frauenpolitisches Anliegen. 1975 wurde der koedukative Unterreicht an öffentlichen Schulen gesetzlich verankert. Die Durchsetzung von gleichen Lehrplänen von Buben und Mädchen erfolgte schrittweise ("Geometrisches Zeichnen" als Pflichtfach für Mädchen in den Hauptschulen 1985, "Hauswirtschaft" als Pflichtfach für Buben in den Hauptschulen 1987). Das Unterrichtsprinzip "Erziehung zur Gleichstellung von Frauen und Männern" fand erstmals 1994 Eingang in die Lehrpläne. Parallel dazu wurden Kampagnen zur Beseitigung von Rollenklischees und zur partnerschaftlichen Teilung von Haus- und Familienarbeit gesetzt.

Die Aktion "Töchter können mehr - Berufsplanung ist Lebensplanung" wurde 1984 von Frauenstaatssekretärin Johanna Dohnal gestartet, um Mädchen für technische Berufe zu interessieren und ihnen Zugang zu höher qualifizierten und damit besser bezahlten bislang "typischen" Männerberufen zu ermöglichen. Dennoch prägen trotz höherem Ausbildungsniveau bis heute traditionelle Rollenklischees die Ausbildungs- und Berufswahl österreichischer Jugendlicher.