Heim und Herd
Haus- und Familienarbeit bezieht sich auf in einem gemeinsamen Haushalt lebende Personen und umfasst unterschiedliche Felder, die von Garten- und Haushaltsarbeiten (einkaufen, waschen, kochen usw.) bis zur Kinderbetreuung und der Pflege alter und kranker Menschen reichen. Im Gegensatz zur Erwerbsarbeit wird sie in der Regel unbezahlt geleistet, unterliegt keinen arbeitsrechtlichen Regelungen und wird noch immer vorwiegend geschlechtsspezifisch zu- bzw. abgewiesen. Dies betrifft sowohl die Frage der Aufteilung zwischen Hausarbeit und Erwerbstätigkeit als auch die Aufteilung zwischen den verschiedenen Tätigkeitsfeldern der Haus- und Familienarbeit.
Einen politischen Lösungsansatz zur Entlastung erwerbstätiger Frauen sahen sozialdemokratische Vordenkerinnen in der Vergesellschaftung von Hausarbeit. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts enstanden in ganz Europa "Einküchenhäuser", in denen Zentralküchen, Zentralwäschereien, Badeanlagen sowie Gemeinschaftsräume berufstätige Frauen von der täglichen Routine der Hausarbeit entlasten sollten. In Österreich blieb das Einküchenhaus ein isoliertes Experiment, da die sozialdemokratische Wiener Stadtregierung durch den Bau von großen Gemeindebauten in den 1920er Jahren das Modell der Kleinfamilie förderte. Im Austrofaschismus wurde Hausarbeit ideologisch aufgewertet, "Mütterschulen" eingerichtet, und der hauswirtschaftliche Unterricht in den Pflichtschulen wurde für Mädchen erweitert. Die 1933 erlassene "Doppelverdienerverordnung" richtete sich gegen die Berufstätigkeit verheirateter Frauen. Im Nationalsozialismus wurden Haushalts- und Familiengründungen mittels Ehestandsdarlehen gefördert. Ungeachtet der zunehmenden Frauenerwerbstätigkeit, u.a. in der Rüstungsindustrie, blieb Haus- und Familienarbeit Frauensache.
Die in den 1950er und 1960er Jahren angestrebte gesellschaftliche Norm der "Hausfrauenehe" wurde durch steuerpolitische (Alleinverdienerabsetzbetrag) und familienpolitische Maßnahmen (Karenzzeit) gefördert. Ein von konservativer Seite gefordertes "Hausfrauengehalt" wurde nie realisiert. 1975 trat mit der Familienrechtsreform an die Stelle des "männlichen Oberhauptes" der Familie die Idee der Partnerschaft. Dies änderte jedoch wenig an der konkreten Arbeitsteilung der Geschlechter. Seit 1990 besteht die gesetzliche Möglichkeit, dass Väter und Mütter sich die Karenzzeit nach der Geburt eines Kindes teilen oder wahlweise in Anspruch nehmen (bis dahin hatten nur Mütter Anspruch auf Karenzzeit und -geld). 1995 wurde mit der Reform des Ehegesetzes die gesetzliche Grundlage für die partnerschaftliche Teilung der Versorgungsarbeit geschaffen. Ehepartner können sich im Sinne der gerechten Neuverteilung der Arbeitsbelastung auf dieses Gesetz berufen, und die Nichtbeteiligung an Haushalts- und Versorgungstätigkeiten wie Pflege und Erziehung kann im Scheidungsfall als Verschulden zum Tragen kommen. Langzeitfolgen der ungleichen Verteilung von bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Haus- und Familienarbeit zwischen den Geschlechtern sind u. a. die hohe Teilzeiterwerbstätigkeit von Frauen und (daraus resultierend) deutlich geringere Fraueneinkommen und -pensionen.