Reproduktion II
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Anti-Abtreibungsplakat 1957
Vor der Einführung der Antibabypille wurde die Zahl der illegalen Abtreibungen in Österreich auf 100.000 bis 200.000 jährlich geschätzt. 1954 gründete der Jesuit Georg Strangfeld zusammen mit einer Gruppe katholischer AkademikerInnen die Aktion "Rettet das Leben“, die mittels Vorträgen, Tagungen und Broschüren eindringlich vor den möglichen Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs warnte.
Fotografie 1957 (4 x 7 cm) -
Antiklerikales Plakat 1971
Kirchliche Verbände standen einer Liberalisierung des Abtreibungsparagraphen durchwegs negativ gegenüber. Ausgelöst durch die begonnene Strafrechtsreform formierte sich 1971 auch in der BRD eine Protestwelle gegen die geltenden Abtreibungsbestimmungen, die für die betroffenen Frauen eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsah. Eine zentrale Forderung der deutschen Frauenbewegung war deshalb die ersatzlose Streichung des geltenden § 218. In Westdeutschland bekannten sich Frauen 1971 erstmals öffentlich dazu, abgetrieben und damit gegen geltendes Recht verstoßen zu haben. 1976 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, das eine Indikations-regelung mit vorhergehender verpflichtender Beratung vorsah.
Plakat 1971 (60 x 42 cm) -
Unterschriftenaktion gegen § 144, 1972
Im Zuge der Auseinandersetzungen um die Reform des § 144 kam es in Österreich zur Loslösung der Neuen Frauenbewegung von ihren Wurzeln innerhalb der traditionellen Parteien und zu einer eigenständigen organisatorischen Konsolidierung. In Österreich formierten sich die BefürworterInnen der Fristenlösung (straffreier Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten 12 Schwangerschaftswochen) 1972 innerhalb des "Aktionskomitees zur Abschaffung des § 144", das der Ausgangspunkt für die autonome Frauenbewegung in Österreich war.
Fotografie 1972 (5 x 7 cm) -
Protestaktion gegen § 144 1972
1972 wurde in Wien die AUF (Aktion unabhängiger Frauen), eine Frauenbewegung außerhalb der Parteien gegründet. Ihren ersten öffentlich wirksamen Auftritt inszenierte die Aktionskünstlerin Erika Mis im Dezember 1972. Aus Protest gegen den § 144 ließ sie sich an einem Einkaufssamstag, eingesperrt in einen Käfig, von drei als Rechtsanwalt, Priester und Arzt verkleideten Männern durch die Wiener Mariahilferstraße ziehen. Am Ende zertrümmerte sie in einem symbolischen Akt der Selbstbefreiung ihren Käfig mit einer Axt.
Fotografie 1972 (15 x 11 cm) -
ORF-Sendung vom 19. 4. 1972
ORF-Sendung vom 19. 4. 1972: "§ 144, Abtreibung - ja oder nein?"
In der heftigen Debatte um die gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs stand lange eine erweiterte Indikationenlösung (Straffreistellung der Schwangerschaftsunterbrechung bei ethischen, eugenischen und sozialen Indikationen) zur Diskussion. Feministinnen wie Irmtraut Karlsson (2. v. li.) und Eva Kreisky (3. v. li.) kritisierten, dass bei einer solchen Lösung Kommissionen oder Ärzte über ein Thema bestimmten sollten, das letzten Endes doch hauptsächlich Frauen selbst betraf. Sie plädierten für die Fristenlösung, d. h. die völlige Freigabe der Schwangerschaftsunterbrechung innerhalb der ersten 12 Schwangerschaftswochen.
Fotografie 1972 (16 x 12 cm) -
Justizminister Christian Broda
Auf Druck der Frauenorganisation seiner Partei änderte Justizminister Christian Broda (3. v. li.) vor dem Villacher Parteitag der SPÖ 1972 seine Position (ursprünglich hatte sein Regierungsentwurf eine erweiterte Indikationenlösung vorgesehen) und schloss sich der Forderung nach der Fristenlösung an.
Fotografie o. J. (24 x 18 cm) -
Schreiben Kardinal König - Bruno Kreisky 1973
Der Wiener Erzbischof Kardinal König formulierte in einem Schreiben an Bundeskanzler Kreisky den Protest der österreichischen Bischöfe gegen die Fristenlösung. Kreisky sah das (erst seit wenigen Jahren entspannte) Verhältnis der SPÖ zur Katholischen Kirche gefährdet. In seinem Antwortschreiben betonte er die Wirkungslosigkeit der geltenden Strafbestimmungen gegen illegal durchgeführte Abtreibungen.
Briefe 1973 (21 x 29 cm) -
Demonstration gegen Fristenregelung 1973
Breiter Widerstand gegen die Fristenlösung formierte sich innerhalb der katholischen Kirche, der ÖVP und der FPÖ. In Demonstrationen wurde vor einem "straffrei mordenden Österreich" gewarnt.
Fotografie 1973 (7 x 5 cm) -
Flugblatt
Zentrale Forderung der Autonomen Frauenbewegung war das Recht der Frau, selbst zu bestimmen, ob, wann und wie viele Kinder sie haben will. Sie hielt weiterhin an einer völligen Abschaffung des § 144 fest und forderte die Kostenübernahme von Abtreibungen durch die Krankenkasse, die Entwicklung unschädlicher Verhütungsmittel für Mann und Frau sowie deren kostenlose Abgabe in öffentlichen Beratungsstellen. Die stark von der katholischen Kirche getragenen AbtreibungsgegnerInnen stellten hingegen das ungeborene Leben ins Zentrum ihrer Argumentation.
Dokument 1: Flugblatt nach 1973
Dokument 2: Plakat 1975
(14 x 20 cm) -
Zeitschrift 1973
Die SPÖ beschloss das neue Strafgesetz am 29. November 1973 trotz Ablehnung der FPÖ und ÖVP im Nationalrat mit 93 zu 88 Stimmen. Der Bundesrat beeinspruchte jedoch die Fristenregelung (§ 97 Strafgesetzbuch), die erst nach einem Beharrungsbeschluss der SPÖ am 1. Jänner 1975 in Kraft trat. Seither ist ein von einem Arzt/einer Ärztin nach vorhergehender Beratung vorgenommener Schwangerschaftsabbruch in Österreich innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate strafrechtlich straffrei, jedoch zivilrechtlich rechtswidrig. Ein späterer Schwangerschaftsabbruch ist nur dann straffrei, wenn die Schwangerschaft für die Schwangere Lebensgefahr oder die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bedeutet (medizinische Indikation), wenn die Schwangere zum Zeitpunkt der Zeugung noch nicht 14 Jahre alt war, oder wenn das Kind schwer behindert geboren werden würde (eugenische Indikation).
Sonderausgabe der Zeitschrift "Das aktuelle Argument" 1973 (21 x 30 cm) -
Volksbegehren 1975
Das von der "Aktion Leben" gegen die Fristenlösung eingeleitete Volksbegehren zum "Schutz des menschlichen Lebens" wurde mit knapp 900.000 Unterschriften (17,92% der Stimmberechtigten) zum erfolgreichsten Volksbegehren in der österreichischen Nachkriegsgeschichte - erst 1982 wurde es vom Volksbegehren gegen das Konferenzzentrum übertroffen. Die Fristenlösung blieb bestehen, bei deren praktischer Umsetzung bestand allerdings von Anfang an ein starkes Ost-Westgefälle: an öffentlichen Spitälern in von der ÖVP regierten Bundesländer wie Vorarlberg, Tirol und Salzburg war sie praktisch undurchführbar. Die betroffenen Frauen mussten auf teure Privatarztpraxen ausweichen bzw. nach Wien fahren, wenn sie ihre Schwangerschaft rechtzeitig beenden lassen wollten.
Folder 1975 (21 x 30 cm) -
Flugblatt 1975
"Helfen statt strafen" war das Motto der FristenlösungsbefürworterInnen.
Flugblatt 1975 (21 x 30 cm) -
Zeitschrift 1976
Eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten der Fristenlösung, für die er sich massiv eingesetzt hatte, zog der Frauenarzt und ärztliche Leiter der Semmelweis-Klinik, Alfred Rockenschaub, Bilanz.
Zeitschrift 1976 (22 x 30 cm) -
Flugblatt 1980
Obwohl 1977 immerhin 61% der befragten Österreicherinnen meinten, die Fristenlösung solle bleiben, blieb die Form ihrer Umsetzung auch in den darauffolgenden Jahren ein gesellschaftspolitisch hochbrisantes Thema. Eine zentrale Forderung der autonomen Frauenbewegung war deshalb die nach dem Schwangerschaftsabbruch in allen öffentlichen Spitälern Österreichs und Kostenübernahme durch die Krankenkassen.
Flugblatt 1980 (21 x 30 cm) -
Brief 1981
Der Widerspruch zwischen relativ liberaler Rechtslage und der österreichweiten konkreten Umsetzung der Fristenlösung wird anhand der der Situation in Salzburg besonders deutlich: Erst 2004 wurde auf Betreiben von SPÖ-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller und gegen heftigen Widerstand der ÖVP und kirchlicher Einrichtungen im Salzburger Landeskrankenhauses ein Abtreibungsambulatorium eingerichtet.
Brief 1981 (21 x 30 cm) -
Brief 1982
Einer der zahlreichen an Staatssekretärin Johanna Dohnal gerichteten Briefe zum Thema Fristenlösung beginnt mit einem Zitat, das die geschlechtsspezifische Trennung in eine männliche Öffentlichkeit und in ein weibliches Privates deutlich macht: „Es mögen Männer Welten bauen, es steht und fällt ein Volk mit seinen Frauen.“ Demnach seien Frauen für die Reproduktion eines „Volkes“ zuständig, Männer für die Produktion. In ihrem Antwortschreiben erläuterte Johanna Dohnal ihre Position und verwies auf die flankierenden Maßnahmen zur Fristenlösung.
Brief 1982 (16 x 18 cm)
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Ansteckknopf 1984
Die in verschiedenen Plattformen wie der "Aktion Leben", "Geborene für Ungeborene" und der "Österreichischen Lebensbewegung" organisierten AbtreibungsgegnerInnen verwendeten Fotos und symbolhafte Abbildungen von Embryonen, um den Beginn menschlichen Lebens ab dem Zeitpunkt der Befruchtung zu unterstreichen.
Ansteckknopf 1984 (6 x 8 cm)
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Broschüre 1984
Als Gegenmaßnahme zur massiven Öffentlichkeitsarbeit der Plattform "Geborene für Ungeborene" formierte sich 1984 das "Komitee für das Recht auf Verhütungsmittel und Abtreibung auf Krankenschein".
Broschüre 1984 (21 x 30 cm)
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Presseaussendung 1987
Schon frühzeitig warnte Johanna Dohnal vor den Möglichkeiten und Folgen der Fortpflanzungstechnologie für Frauen.
Presseaussendung 1987 (21 x 30 cm)